Wo Kochen über das Bedürfnis der Sättigung durch Transformation des „Rohen“ ins Genießbare hinausgeht, wird es zur Kunst. Doch Was unterscheidet einen Teller von Harald Wohlfahrt von dem eines sogenannten Avantgardisten wie Joachim Wissler (beide mit drei Michelinsternen ausgezeichnet)? Was ist hohe Kunst, die wirklich neue Geschmackswelten erschließt, was bloße Effekthascherei? Wie ist der Unterschied zwischen Kunst und Blödsinn zu fassen? Und wo liegt die Grenze? Bei „am Salzstein gegarter Fjordforelle mit Nebel aus Trockeneis über erwärmter Fichte“? Bei fermentierten Blumenkohlstrünken, die zu kunstvollen Figuren geschnitzt werden? Essbaren Blumenzwiebeln oder mit heißem Trüffelsaft gefülltem Eigelb? Oder Kolostrum als Dessert? Nun, manches ist der Dekadenz der römischen Oberschicht nicht unähnlich (Karikatur: mit Bärenblutwurst gefüllte Giraffenhälse oder Nachtigallenzungen in Aspik wie in „Asterix bei den Schweizern“). Da sehnt man sich vielleicht tatsächlich nach einer klaren Gemüsesuppe wie der römische Quästor, der dem dekadenten Treiben auf den Grund gehen soll. Die allerdings wird dann vom genervten Koch der Haute volée wieder als extravagant angesehen: „Klare Gemüsesuppe – was denen nicht noch alles einfällt für ihre Orgien.“
Kochkunst-Avantgarde: Zwischen hoher Schule und ausgemachtem Blödsinn
9. November 2014