„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ – so definierte der Königsberger Immanuel Kant das Ziel der Aufklärung, jener Epoche, die das moderne Europa einleitete – in gesellschaftlicher, politischer und auch sozialer Hinsicht. Seine Übersetzung einer Sentenz des römischen Dichters Horaz ist heute noch hoch aktuell. Dabei geht es nicht mehr nur um Bevormundung durch Autoritäten – das verbitten sich heute die meisten. Nein, es geht eher um Denkfaulheit, um eingefahrene Wege, darum, vieles als selbstverständlich anzunehmen, das es bei weitem nicht ist. Und um den Tunnelblick.
In seiner „Kritik der Urteilskraft“ nennt Kant denn auch die „Maximen des allgemeinen Menschenverstandes“: 1. Selbstdenken. 2. An der Stelle jedes anderen denken. 3. Jederzeit mit sich selbst einstimmig denken. Wobei „2.“ nicht meint: Anstelle anderer zu denken, sondern sich in den anderen hineinzuversetzen.
Dabei hat das lateinische Verb „sapere“ noch ein paar weitere Bedeutungen: verständig, klug sein – und: schmecken. Geschmack und Erkenntnis gehören zusammen. Gegenstände mit dem Mund zu erforschen, ist eine der ersten Arten und Weisen, die Welt, in die wir erst vor Kurzem eingetreten sind, kennenzulernen und zu verstehen. Erst das „Pfui“ und „Bäh“ unserer Eltern beschränkt uns in diesen Drang. Wir sollten uns daran erinnern und ihn gelegentlich wieder zum Leben erwecken.